US-Präsident Donald Trump mischt mit seiner Zollpolitik den internationalen Welthandel und die Finanzbörsen auf. Er setzt konsequent das um, was er in seinem Wahlkampf unter dem Slogan „Make America Great Again“ versprochen und bereits vor 35 Jahren gefordert hat: Beendigung des aus seiner Sicht unfairen Welthandels, Reindustrialiserung der USA, angemessene Beteiligung der Bündnispartner an den Militärausgaben und Abbau bzw. Neutralisierung der US-Verschuldung von mittlerweile 36 Billionen US-Dollar. Vor allem China ist dabei schon in seiner ersten Amtszeit in sein Fadenkreuz geraten.
USA am Wendepunkt
Wenn man wissen möchte, was Trump vorhat, dann muss man sich seine Reden und Talks im Original anhören, auch die seiner wichtigsten Minister und Berater wie Scott Bessent (Finanzen), Howard Lutnick (Handel), Stephen Miran, Peter Navarro und Robert Lighthizer (Buch: No Trade ist Free). Sie alle beklagen unisono den gegenwärtigen prekären Zustand der amerikanischen Mittel- und Arbeiterschicht, die seit 25 Jahren durch die Abwanderung von Industriearbeitsplätzen vor allem nach China und Mexico immer mehr verarmt.
Hinzu kommen in der Schicht der Abgehängten (Deplorables) der schlechte Gesundheitszustand, die zurückgehende Lebenserwartung und zunehmende Abhängigkeiten von Drogen und Medikamenten (z. B. Fentanyl). Die US-Gesellschaft ist mittlerweile ein Pulverfass. Aus Sicht von Donald Trump ist jetzt der Zeitpunkt für den Wandel gekommen. In fünf Jahren, wenn China mit seinen gegenwärtigen Praktiken weitermacht und Weltmarktführer ist, könnte es bereits zu spät sein, um das Ruder herumzureißen.
Druck entsteht aber auch aufgrund der hohen US-Verschuldung. Die USA importieren seit Jahrzehnten mehr Produkte als sie exportieren. Das US-Leistungsbilanzdefizit ist 2024 mit 1,13 Billionen US-Dollar auf einen historischen Höchststand gestiegen. Finanziert wird es ebenfalls auf Pump. Die Zinsen auf die US-Schulden belaufen sich mittlerweile auf über eine Billion US-Dollar pro Jahr. Allein in diesem Jahr laufen US-Kredite in Höhe von 8 Billionen US-Dollar aus. Sie müssen 2024 refinanziert werden.
Nachteile des freien Welthandels
Donald Trump und sein Team werden von ihren politischen Gegnern gerne als Wirtschaftsnationalisten, Protektionisten und Isolationisten bezeichnet, weil sie der Globalisierung in ihrer jetzigen Ausprägung den Kampf ansagen. Für sie ist der freie Welthandel mit China als die Fabrik der Welt gerade nicht frei. Er ist für die USA sogar schädlich. Mit der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation (WTO) 2001 hat sich die Misere beschleunigt. Arbeiteten in den 1960er Jahren noch über 35 Prozent der US-Beschäftigten in der Industrie, so sind es aktuell nur noch 9,4 Prozent.
China am Pranger
Chinas unfaire Handelspraktiken werden nicht nur von Donald Trump angeprangert. China – so der Vorwurf – verletzt geistige Eigentumsrechte, diskriminiert ausländische Unternehmen, subventioniert Technologien und Exporte im großen Stil, wertet die eigene Währung Yuan ständig ab und beutet die eigenen Arbeiter durch schlechte Löhne und Arbeitsbedingungen aus.
Profiteure
Profiteure dieser Entwicklung sind nicht nur chinesische Unternehmen, sondern auch internationale US-Konzerne, ihre Aktionäre (z. B. Blackrock) und Finanziers. So erzielt z. B. Apple durch die chinesische Produktion Margen von fast 80 Prozent. Sollte das iPhone in den USA produziert werden, so dürfte es nach Expertenschätzungen mehr als 3.500 US-Dollar kosten. Globale Konzerne haben demnach kein Interesse an einer Änderung.
Kein Wunder, dass sie und sympathisierende Ökonomen den internationalen Freihandel als einzige Quelle für Wohlstand betrachten. Ihre Argumente gehen auf die englischen Nationalökonomenen Adam Smith und David Ricardo zurück, die die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung herausgearbeitet haben, ohne jedoch ihre Nachteile wie die Verarmung der arbeitslos werdenden Industriearbeiter (s. USA) ausreichend zu thematisieren.
Profiteure sind aber auch die westlichen Konsumenten, die sich in den letzten Jahrzehnten preiswerte und qualitativ immer bessere Produkte aus China und anderen asiatischen Ländern leisten konnten. Die Kehrseite dieses Konsumrausches ist die hohe private Verschuldung vor allem in den USA. So sind die Kreditkartenschulden der US-Bürger auf ein Rekordhoch von 1,2 Billionen US-Dollar gestiegen.
Zoll-Historie
Zölle waren früher nichts Verwerfliches. Sie wurden als probates Mittel angesehen, um junge Industrien und aufstrebende Länder vor mächtiger ausländischer Konkurrenz zu schützen. Hierfür nur zwei Beispiele mit berühmten Verfechtern:
- Alexander Hamilton (1755–1804): Hamilton, der erste Finanzminister der USA, entwickelte das Infant Industry Argument, das junge Industrien durch Schutzzölle vor ausländischer Konkurrenz schützen sollte. Er argumentierte, dass Freihandel nur in einer idealen Welt ohne Handelshemmnisse möglich sei. Er setzte Zölle gezielt ein, um die Industrialisierung der USA zu fördern und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Europa zu erreichen. Die USA verfolgten von 1820 bis Ende des 19. Jahrhunderts eine protektionistische Politik.
- Friedrich List (1789–1846): Der deutsche Ökonom war ebenfalls ein prominenter Befürworter von Schutzzöllen. Er orientierte sich an Hamiltons Ideen und übertrug sie auf die deutsche Wirtschaft im 19. Jahrhundert, um die Industrialisierung voranzutreiben. List hatte Einfluss auf die Zollpolitik des deutschen Kaiserreiches, in dem Unternehmen wie Siemens, AEG und Daimler entstanden.
Der jahrelange Aufschwung in den USA und auch In Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag übrigens auch am Goldstandard, der das "Drucken" von Geld aus dem Nichts durch private Zentralbanken verhinderte. Die Preise blieben dadurch Jahrzehnte lang stabil. Sie sanken teilweise sogar durch die erzielten Produktionsfortschritte.
Fazit
Es ist daher auch für mittelständische Unternehmer immer gut, die Hintergründe und Historie von wirtschaftspolitischem Handeln zu kennen, auch um einseitige und interessengeleitete Berichterstattung einordnen zu können.
In nächster Zeit ist mit weiteren Spannungen und eine Entkopplung (Decoupling) des Welthandels zu rechnen. Donald Trump jedenfalls - und das sollte man nie vergessen - liebt Deals. Er stellt immer hohe Forderungen, um mit weniger sein Maximalziel zu erreichen. Wie er vorgeht, steht in seinem 1987 erschienenen Buch "The Art of the Deal".
Autor: Diplom-Ökonom Dr. Michael A. Peschke